Wolfgang Bock, Geschäftsführer bei granIT, über den kreativen Einsatz von MES, Schwellenängsten bei Kunden, echte Vorteile und Verbesserungen im Produktionsablauf und die Grenzen von MES.

Manufacturing Execution Systems, also MES, werden derzeit in den meisten Produktionsbranchen diskutiert und mit steigender Tendenz eingesetzt.

Wolfgang Bock, CEO graniT

Doch diese verstärkte Aufmerksamkeit rund um die IT-Systeme von Produktionsanlagen erzeugt auch bei vielen potentiellen Anwendern eine Menge Respekt und eine gewisse Schwellenangst. Mit welcher Intention und welchem Wissensstand kommen Interessenten auf granIT zu?

Zu unserem bestehenden und potentiellen Kundenkreis zählen große Unternehmen genauso wie  mittelständische oder kleinere Firmen. Bei den „Großen“ ist in den meisten Fällen ein gewisses Know-how vorhanden: Man weiß wo zumindest im Großen und Ganzen Vorteile durch MES zu erzielen sind. Die eher kleineren Firmen sind zum Beispiel mittelständische Handwerksbetriebe, bei denen Themenbereiche wie Software per se nebensächlich behandelt werden. Viele haben einfach nur gehört, dass MES den Produktionsablauf verbessern kann.

Welche Voraussetzungen bringen solche Betriebe denn mit?

Dort arbeitet man meistens mit CAD-Systemen, die zwar gewisse Produktionsdaten zur Verfügung stellen, deren Produktionsablauf letztendlich aber noch teils „händisch“ verwaltet werden muss. Es wird von außen, also von Mitarbeitern wie dem Schichtleiter mit Informationen aus einer zuvor zusammengestellten Mappe entschieden, was wann, wo und wie produziert wird. Hier kann MES zu einer deutlichen Verbesserung beitragen: An einer zentralen Stelle, also am Rechner, wird mit Hilfe von entsprechender Software ein optimaler Produktionsablauf zusammengestellt.

Nicht nur die Produktionsverwaltung, sondern auch die Produktionsoptimierung kann von MES maßgeblich gesteuert werden. Ein Beispiel aus unserem Kundenbereich „Fertighausbau“: Wenn eine Maschine nach der anderen arbeitet, somit ein „verketteter Produktionsablauf“ stattfindet, gibt es nur selten einen gleichförmigen Arbeitstakt.

Produktion bei Schwörer Haus © miku

Wenn also eine Außenwand mit 12 Metern und danach eine Innenwand mit 3 Metern bearbeitet werden, dann verbringen beide Wände gleich viel Zeit im Produktionsablauf. Logisch, die kleine Wand kann nicht an der großen vorbei zum nächsten Arbeitsschritt. Für die kleinere Innenwand wird die Maschine also weitgehend im Leerlauf arbeiten.

Ohne allzu tief ins Detail einzusteigen –  wie löst granIT diese Aufgaben?

Für solche oder ähnliche Fälle stellen wir nun mit sogenannten Multi-Elementen, also vielen kleinen Bausteinen, ein großes Produktionsgefüge zusammen. Denn das Ziel sollte sein, dass bei einer Taktzeit von beispielsweise 20 Minuten jedes Element, das über die Anlage läuft, auch tatsächlich 20 Minuten im Produktionsablauf braucht. Nicht 25, nicht 10 Minuten, sondern eben 20! Denn wenn die Maschine nur 10 Minuten für die Bearbeitung eines Teils braucht, läuft sie dann 10 Minuten leer.

So kann man allein mit der Homogenisierung der Produktionsdaten schon 20 bis 30 Prozent mehr Effizienz erreichen.

Angeblich kann man mit MES auch kreativ in den Produktionsprozess eingreifen?

Mit MES ist es zudem möglich, bestimmte Teile, die sonst manuell gefertigt werden müssten, in den automatisierten, maschinellen Produktionsablauf zu integrieren.

Bleiben wir noch ein wenig bei der Fertighausbranche: Auf dem Foto ist zu sehen, dass wir eine schräge Dachgeschosswand, die eigentlich nicht auf einer automatischen Linie produziert werden könnte, mittels Gurtverlängerung und zusätzlichen Stielen verändert haben, damit sie eben doch maschinell und innerhalb der Taktung erstellt werden kann.

So haben einige unserer Kunden bereits ernsthafte Produktionsengpässe und Kapazitätsprobleme überbrücken bzw. lösen können. Denn der Einsatz an Manpower für die manuelle Fertigung ist ungleich größer, als wenn das jeweilige Teil in einem sowieso schon laufenden, automatischen Produktionsprozess gefertigt wird.

Aber entsteht da nicht eine enorme Datenflut? Wie geht man damit um?

Um nun MES optimal einzusetzen, muss der Kunde bzw. der MES-Anwender die Daten und Informationen in seinem System einlesen und dort verwerten. Hier kommt eine Art Controlcenter zum Einsatz, wo eben alle Informationen automatisiert werden. Dieses System bildet die Produktionslinien ab und kommuniziert mit den Maschinen und den manuellen Arbeitsplätzen. Die Maschinen sind dann in einem echten Automatikbetrieb und bekommen ihre Aufgaben von MES zugeteilt.

Womit wir bei einem weiteren wichtigen MES-Aspekt angekommen wären: Der Transparenz.

Selbstverständlich werfen wir die gewonnenen Daten und somit Erfahrungen nicht einfach nach Gebrauch weg, sondern sammeln sie, werten sie aus, und stellen sie für weitere Produktionsabläufe des jeweiligen Unternehmens zur Verfügung. Wenn also etwas „schief läuft“ oder wenn es qualitative Beschwerden am Produkt gibt, kann transparent nachvollzogen werden, wo es welche Probleme gegeben hat. Um letztendlich auch für weitere Produktionsabläufe in Zukunft zu lernen. Oder um Erfahrungen mit bestimmten Problemen abzurufen: Wo gab es die Engpässe, wo muss ich gegensteuern?

„Leerzeiten“ vermeiden mit MES © miku

Außerdem ermöglicht MES wie granITflow auch während des automatischen Produktionsprozesses den maximalen Durchblick respektive optimale Transparenz: Im Prinzip ist jede Information zu jedem Produktionsabschnitt auf Knopfdruck abrufbar. Welche Elemente sind wann fertig? Welche Teile gehen wann in Produktion? Wo wird gerade was gefertigt? Stimmt die Taktung?

So überzeugend die Vorteile von MES sein mögen, so aufwändig schätzen insbesondere Kunden, die noch keine Erfahrung mit MES gemacht haben, eine Neu-Installation der Software in die Produktionsabläufe ein.

Natürlich kann man das nicht einfach wie eine sich selbst installierende App downloaden. Jeder Produktionsablauf in jedem Unternehmen ist individualisiert und entsprechend muss das MES konfiguriert werden. Die einfachste Variante für alle Beteiligten wäre ein Installieren des MES während des Aufbaus einer neuen Produktionsanlage oder von neuen Maschinen, die in eine bestehende Anlage integriert werden.

Hier kann man grundsätzlich davon ausgehen, dass wir mit dem Installieren und Konfigurieren der Software schneller fertig sind als der Maschinenbauer seine Anlage aufgebaut hat. Aber auch der Einsatz von MES in bestehende Produktionsstraßen ist durchaus möglich – hierfür müssen wir die Anlage keineswegs still legen. Produktionseinbußen sind für die Installation also nicht zu befürchten.

Wohin steuert MES? Wird das Manufacturing Execution System zur „eierlegenden Wollmilchsau“ bei allen automatisierten Produktionsanlagen?

Mit Sicherheit wird MES nicht die Lösung für alle Probleme bieten, auch wenn der derzeitige Hype um MES genau dies suggeriert. Aber MES wird sich weiter entwickeln, um deutlich mehr Bereiche als heute abzudecken.

Woran ich nicht glaube, ist die eine MES-Lösung für alle automatischen Produktionsanlagen. Obwohl das heute bereits von einigen MES-Entwicklern so propagiert wird. Ganz einfach, weil Produktionsabläufe immer produktrelevant agieren werden und MES -Lösungen entsprechend individuell aufgebaut sein müssen. Individualität wird beim Manufacturing Execution System immer Standard bleiben!